Torsten Körner: „Männer fürchten kleine Schritte, Frauen wagen sie.“
Dieses Buch ist nichts für Angsthasen, stellt es doch den vermeintlich naturgegebenen Machtanspruch der Männer in Frage.
Der Autor rückt vor allem Politikerinnen aber auch Journalistinnen in den Mittelpunkt seiner Betrachtung. Schon allein dieser Fakt sollte aufhören lassen. Um das zu untermauern und um auf dieses bemerkenswerte Buch aufmerksam zu machen, seien an dieser Stelle einige Bei-spiele aufgeführt.
Das Vorwort ist Appell und Anklage zugleich, geht es doch um die Rede einer Abgeordneten im Deutschen Bundestag, die die Vergewaltigung in der Ehe anprangert und gesetzliche Re-gelungen fordert, die diese Vorkommnisse unter Strafe stellen. Der Autor beschreibt die skandalösen Reaktionen in den Reihen der Konservativen und Leser und Leserin kann nur Entsetzen ergreifen,
D I E politische Sendung der fünfziger, sechziger und siebziger Jahre war der Internationale Frühschoppen am Sonntag in der ARD. Der Autor beschreibt diesen Journalisten-Talk als Selbstdarstellungsplattform des Moderators Werner Höfer, der, von wenigen Ausnahmen abgesehen, ausschließlich von Männern bestritten wurde. Deshalb verwundert es auch nicht, dass sich der Sender negativer Reaktionen – auch von Frauen - kaum erwehren kann, als Wiebke Bruns im Mai 1971 als erste Frau im Fernsehen die Nachrichten verliest.
Der Vizepräsident und konservative Abgeordnete Dr. Richard Jäger lässt 1970 verlauten, dass er keine Abgeordnete im Hosenanzug in das Hohe Haus ließe und schon gar nicht ans Rednerpult. Die Frauen fühlen sich bevormundet, sprechen sich ab und am 14.10.1970 tritt die erste Abgeordnete, Lenelotte von Bothmer, im Hosenanzug, den sie sich extra für diesen Auftritt gekauft hat, ans Pult. Der Shitstorm blieb nicht aus.
Es werden mehrere weibliche Abgeordnete porträtiert, ihre Besonderheiten herausgestellt und ihr „Normalsein“ gewürdigt. Dazu gehören Renate Schmidt, Lieselotte Funke, Christa Nickels und natürlich Angela Merkel. Die Beschreibung ihres Weges von „Kohls Mädchen“ zur vertrauenswürdigsten Politikerin der Welt wird eindrucksvoll beschrieben.
Es ist erschütternd, welchen Anfeindungen Frauen, die Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen wollen, ausgesetzt waren. Es ist erschütternd, dass vieles noch nicht lange her ist. Es ist erschütternd, dass sich so manches noch nicht geändert hat. Es ist aber erfreulich und auch bewundernswert, dass Frauen trotz allen Gegenwindes nach wie vor bereit sind, politisch aktiv zu sein.
Ein lesens- und nachdenkenswertes Buch, das Frauen und Männern empfohlen werden kann.
Kiepenheuer & Witsch, 2020, 368 Seiten, ISBN: 978-3-462-05333-3 als ebook in der Onleihe vorhanden